Kulturerbe-Bewerbung eingereicht

Erfurter Martinsfeier

Pünktlich zur gesetzten Frist der aktuellen Bewerbungsphase 2023/25 hat der Martinsbund die Unterlagen zur Bewerbung um das Immaterielle Kulturerbe eingerecht. Als ‚Die lebendigen Martinsbräuche in Deutschland‘ sollen alle heute noch gelebten Martinsbräuche auf deutscher Bundesebene zum Kulturerbe ernannt werden. Neben der sehr populären rheinischen Art des Martinsfestes und sind dies das Martinisingen in Norddeutschland, das Martinsfest in Erfurt (Beitragsbild auf dieser Seite), der Belzer- oder Pulzermärdl in Franken sowie der Pelzermärtl in Schwaben. Zu den Martinsbräuchen gehören ebenso der von Lübeck nach Schwerin fahrende Martnesmann wie auch der karnevalistische Hoppeditz. Beide besitzen bereits – losgelöst vom Brauchkomplex der Martinsbräuche – einen Kultruerbestatus. Nicht zuletzt, weil die in Deutschland bestehenden Bräuche Teil der überall in Europa begangenen Bräuche zum Martinstag sind, soll ihre Zusammengehörigkeit auf dem Weg zum gemeinsamen Kulturerbe dokumentiert werden.

Insgesamt umfassen die Bewerbungsunterlagen 19 Abschnitte, zwei fachliche Begleitschreiben und zehn Bilder zur Dokumentation. Nachfolgend die als Abschnitt 5 eingereichte ‚Kurzbeschreibung‘ aus den Bewerbungsunterlagen:

5. Kurzbeschreibung

Durch die Industrialisierung vergingen bäuerliche Bräuche zum Martinstag. In nur wenigen Regionen Deutschlands wurden einige der Bräuche der neuen Zeit angepasst. Besonders erfolgreich war dabei die heute in großen Teilen in Deutschland beliebte Art der Martinstradition, wie sie für 1867 erstmals in der Stadt Dülken (heute Viersen) dokumentiert ist. Regional etablierten sich andere Traditionen, an wenigen Einzelstandorten blieben alte Bräuche erhalten oder wurden wiedererweckt.

Die Initiative Kulturerbe Sankt Martin bemühte sich 2017/18 erfolgreich um Aufnahme der Martinstradition, wie sie im Gebiet zwischen Rhein, Maas und Eifelvorland entstand und gelebt wird, in das Inventar des immateriellen Kulturerbes in Nordrhein-Westfalen. Mit der vorliegenden Bewerbung sollen auf Bundesebene nun auch sowohl die jüngere, bundesweite Verbreitung der Martinstradition nach rheinischem Vorbild, wie auch die Gesamtheit der noch oder wieder lebendigen Bräuche und Traditionen zum Martinstag gewürdigt werden. Für das gesamte Spektrum ergeben sich sowohl Wurzeln bis ins frühe Mittelalter, wie auch Zusammenhänge mit Martinsbräuchen in weiten Teilen Europas.

Elemente der heute überall in Deutschland verbreiteten Martinsfeste sind Lichterumzüge, denen meistens ein Martinsdarsteller als römischer Reiter oder seltener als Bischof voran reitet. Zum Abschluss des Umzugs, bei denen Martinslieder gesungen werden, wird die legendäre Mantelteilung nachgespielt, oft im Schein eines lodernden Feuers. Die teilnehmenden Kinder erhalten anschließend Gebäck oder Süßigkeiten.

In den Entstehungsgebiet der rheinischen Darstellungsform organisieren heute einige hundert Sankt Martins-Vereine, -Komitees oder -Ausschüsse die örtlichen Martinsfeste. Während der vergangenen rund 150 Jahre entwickelten sich die lokalen Traditionen vielhundertfach parallel zueinander, jedoch kaum weiter als bis zum Nachbarort miteinander verbunden. Religiöse Bezüge sind seit den 1960er Jahren stark rückläufig und heute vielerorts kaum mehr existent. Jenseits des Rheinlands hingegen übernehmen überwiegend konfessionelle, zumeist katholische Kindergärten oder Grundschulen die Organisation.

In den evangelisch geprägten Gebieten Frankens und in Ostfriesland entstanden andere Martinstraditionen. Im Norden des Bundeslandes Bayern vereinte der Belzermärdl bzw. Pulzermärtl den heute weit verbreiteten Nikolaus mit seinem furchteinflößenden Begleiter. Auch wenn der fränkische Märdl (Koseform von Martin) das ‚pelzen‘ (prügeln, züchtigen) im Namen trägt, bringt er den Kindern doch ebenso süße Gaben, wie sein rheinischer Namensbruder. Die Darstellungsform ist heute stark zurückgedrängt. Im Nordwesten Niedersachsens wurden alte Heischebräuche zum Martinstag auf die Verehrung von Martin Luther umgeformt. Hier ist der Brauch des Martini-Singens noch größtenteils beständig.

Lokal präsent sind die Martinsbräuche der ökumenischen Martinsfeier vor dem Erfurter Dom, des Pelzmärte im schwäbischen Gaistal sowie der Martensmann in Lübeck, Schönberg, Rehna und Schwerin. Der Brauch des Martensmanns erloscht 1817, also zu jener Zeit, als auch die bäuerliche Gesellschaft der Industrialisierung zum Opfer fiel. Erst 1992 wurde der Martensmann als Volksfest wiederbelebt.

Anders als die rheinische Martinstradition mit vielen hundert Vereinen und tausenden Aktiven werden alle anderen Darstellungsformen privat oder durch kleine, nur lokal agierende Träger organisiert.

Einen aufschlussreichen Bezug besitzt die rheinisch-karnevalistische Figur des Hoppeditz. Wie der reitende Martinsdarsteller besitzt der Hoppeditz seinen Ursprung im Martinsmännlein, das beim Heischebrauch des Singens an den Haustüren rittlings getragen wurde. Ein Stich ‚Das Martinsfest in Düsseldorf‘ aus dem Jahr 1863 dokumentiert eine Frühform des Hoppeditz in Gestalt des Martinsmännleins, umgeben von teilweise karnevalistisch verkleideten Kindern; siehe ’12. Dokumenation der Kulturform‘.

Unabhängig vom NRW-Kulturerbestatus der Martinstradition sind der Hoppeditz, versteckt im ‚Rheinischen Karneval mit all seinen lokalen Varianten‘ und der Martensmann bereits als Kulturerbe auf Bundesebene anerkennt. Die Anerkennung der Martinsbräuche als Immaterielles Kulturerbe auf Bundesebene soll den großen Zusammenhang des Brauchkomplexes verständlich machen.

Bewerbung ‚Lebendige Martinsbräuche in Deutschland‘ um Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe (UNESCO), Teil 5/19, Seite 3.

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